Vom Kampf

Vom Kampf


 

Kampf ist nicht auf die Fresse hauen und das Gehirn rausblasen. Das heißt, … leider ist es das auch … Es hat dann aber nix mit Kampfkunst zu tun, denn diese Gewalt ist nur eine bestimmte Ausdrucksform von Kampf, und zwar dessen verabscheuungswürdigste Ausprägung.

Kampf aber meint jede Form streitbarer Auseinandersetzung. Und wenn wir von den Kampfkünsten sprechen, dann reden wir vom Kampf mit sich selbst, denn jeder andere Kampf verblasst in seiner Bedeutung vor diesem einen, täglichen, immerwährenden Kampf.

 

Denken Sie an einen anderen, stark verunglimpften und missbrauchten Begriff: Djihad. Der Djihad ist erst durch Fanatiker zum sogenannten Heiligen Krieg verkommen; eigentlich bedeutet Djihad Anstrengung und jeder Muslim ist aufgefordert, sich der Anstrengung zu stellen, ein Leben zu führen, wie Gott es ihm vorschreibt. Der Djihad des Kampfkünstlers ist der Kampf gegen sich selbst, ist die Anstrengung ein anständiges Leben zu führen.

Das ganze Leben ist Kampf, meist unspektakulär, aber immer anstrengend:

  • Sich das Ziel zu setzen, ein guter Mensch zu sein und ein erfolgreiches Leben zu führen, und dieses Ziel dann zu verfolgen, ist mit Sicherheit eine Anstrengung. Und es ist eine Auseinandersetzung. Eine Auseinandersetzung als Kampf mit sich selbst und gegen selbst hervorgebrachte Widerstände wie die eigene Faulheit; der Kampf gegen den Wunsch, sich gehen zu lassen.
  • Eine Berufsausbildung durchzuhalten, ist beispielsweise so ein Kampf. Ein Kampf, der mit Willenskraft gegen sich selbst geführt wird. Und diesem ersten Kampf im Beruf folgen tägliche neue Kämpfe; und wenn wir ihn verlieren, den Job, folgt der Kampf darum, wieder aufzustehen und weiterzumachen.
  • Die Beziehung zum Partner kann in schweren Zeiten zu einem Kampf werden. Und zwar gegen sich selbst, in dem man sich anstrengt, nicht einfach wegzulaufen und sich jemand anderen zu suchen. Weglaufen ist billig, aushalten ist Kampf.
  • Die Pflege eines Verwandten oder Freundes ist Kampf, denn es ist eine enorme Anstrengung geduldig zu sein, sich zu überwinden, dauernd da sein zu müssen.
  • Und das Ertragen eigener Krankheit ist Kampf. Oder sich nach einem Unfall durch jahrelange Rehabilitationen zu quälen, ohne aufzugeben.

Es gibt viele Kämpfe und kein Leben kann gelebt werden, ohne den Kampf und die Anstrengung zu erleben.

Die Frage ist, wie man sich dazu verhält.


 

Die Kampfkünste befassen sich mit dieser Einstellungsfrage, die eine Anstrengung gelingen oder scheitern lässt. Und sie geben eine Antwort auf die Einstellungsfrage – kämpfe, aber bleibe gesund dabei. Die Geistes- und Körperhaltungen, die die Kampfkünste vermitteln, lassen sich auf alle Aspekte außerhalb des Übungsraumes genauso anwenden wie auf das Geschehen beim Trainieren.

Im Gohshinkan-Dojo meines Freundes und Lehrers Soke Uwe Hasenbein wird jedes Training mit dem Gruß „Chen Li“ begonnen, was soviel heißt wie „Möge die Übung gelingen“. Aber das Training wird auch mit diesem Gruß beendet.

Warum? Weil auch das Leben da draußen eine Übung ist, von der wir einander wünschen, dass sie gelingen möge.

Also ist der Kampf für den Kampfkünstler zuallererst ein Kampf mit sich selbst. Und ja, wir lernen und lehren Menschen notfalls zu verletzen, doch darum geht es nur in dem äußerst seltenen Fall, dass es wirklich zu einer Verteidigungssituation kommt.

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