Nicht zu fassen, aber da
Chi, Qi, Gi, Ki – Begriffe für eine allumfassende Energie, die weder geistiger noch physischer Natur ist, sondern …?
Es ist schon spannend – Chi (das ist die deutschsprachige Umschreibung des chinesischen Qi, des japanischen Ki, des koreanischen Gi) ist nach übereinstimmender Meinung aller Philosophien, die das Chi anerkennen, der einzige unwandelbare Urgrund alles Seins, der Materie und Geist durchzieht und bewegt und doch nicht Teil von ihnen ist. Chi lässt sich nicht messen, chi lässt sich nicht einmal adäquat beschreiben. Und ist doch Basis aller Energiearbeit – ob im Schamanismus, im Qi Gong, im Yoga -, der inneren Kampfkünste, der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und vielem mehr.
Aber gibt es Chi? Nach allen Regeln der Erkenntnistheorie gibt es Chi schon mal nicht, denn es lässt sich mit wissenschaftlicher Methodik nicht erfassen. Ganz davon zu schweigen, dass es einen Chi-Meter gäbe, der die aktuelle Energieleistung in Milli-Chi pro Stunde angeben könnte. Und wenn man es nicht einmal verbal adäquat beschreiben kann – mir ist zumindest keine wirklich befriedigende, in Worten gefasste Beschreibung oder Erklärung bekannt – so liegt doch der Verdacht nahe, dass Chi ein Hirngespinst ist.
Dem steht zwar die Erfahrung entgegen, aber die ist in wissenschaftlicher Hinsicht wegen ihrer subjektiven Natur keine valide Auskunftsinstanz. Wenn wir beide, Sie und ich, etwa eine Tai chi-Form zusammen laufen, so mögen wir das Wirken mit absoluter Sicherheit verspüren, das Gespür lässt sich aber mit Leichtigkeit hinweg erklären.
Wärmegefühl, Kribbeln? Unbestimmte Nervenerregungen.
Ein mich umgebendes Kraftfeld? Autosuggestion.
Aber wie kommt es, dass ich Ihr Kraftfeld auch spüren kann?
Interessant sind in dieser Hinsicht eben besonders die überindividuellen Erfahrungen, etwa der Erfahrungsschatz der TCM und des Qi Gong. Wieso wirken energetische Ansätze nachweisbar? Und ich rede nicht vom Placebo-Effekt. Ja, Placebos – also Scheinmedikamente – können ganz erstaunlich wirken, bis hin zur Genesung schwerster körperlicher und psychischer Erkrankungen. Aber das liegt daran, dass das Placebo eben die unglaublich mächtigen Selbstheilungskräfte des Menschen anzustoßen vermag. TCM und Qi Gong wirken jedoch nachweisbar unabhängig von Placebo-Effekten. Was wirkt dann aber?
Zudem gibt es Übungen und Techniken in den inneren wie den äußeren Kampfkünsten, die Zugriff auf das Chi ermöglichen. Es ist beispielsweise relativ einfach, Vorstellungskräfte freizusetzen, die den Körper zu physikalischer Arbeit befähigen, die über die bloße Leistungsfähigkeit der Muskulatur hinausgeht (bspw. der „unbeugsame Arm“). Das funktioniert ohne jegliche Vorkenntnisse, also auch ohne daran zu ‚glauben‘; wie erstaunte Gesichter auf entsprechenden Lehrgängen immer wieder beweisen.
Trotzdem bleibt Chi in wissenschaftstheoretischer Hinsicht Spekulation. Es ist nicht zu fassen. Aber die Erfahrung vermag auch Skeptiker zu lehren, dass da trotzdem etwas ist, das wirkt. Und es wirkt zuverlässig, so zuverlässig, das in der TCM immerhin etwas so verantwortungsvolles wie die Gesundheit des Menschen, auf dieses Unfassbare gebaut werden kann.
Blöd ist bei all dem nur, dass sich rund um das Thema Chi eine Menge Scharlatane versammelt haben, deren persönliche Betrügereien geeignet sind das gesamte Konzept in ein schlechtes Licht zu stellen. Wenn geworben wird, dass man in Wochenend-Kursen zum Energie-Heiler (Reiki) werden kann, so erweckt dieser Unsinn gleich Zweifel an Reiki und Chi überhaupt.
Es ist ein schwieriges Terrain; bleiben Sie wachsam …